Der Luxus der Zukunft ist Schlaf und nicht Statussymbole

Der Luxus der Zukunft ist Schlaf und nicht Statussymbole

Nur Anfänger verbringen acht Stunden des Tages im Bett. „Schlafen sie jede Nacht nur eine Stunde weniger und gewinnen sie so einen Monat im Jahr dazu!“ So der Rat einer Livesendung von PreneurCast, einem Business und Marketing Podcast. Der Vorschlag ist simpel und verspricht doch mehr Effektivität. Morgens eine Stunde früher aufstehen oder sich abends eine Stunde später ins Bett legen. Je nachdem, ob man zu den frühen Vögeln oder den Nachteulen gehört. Rechnet man die gewonnenen Stunden auf, ergeben sich 365 Extrastunden im Jahr, die man mit nützlichen Dingen verbringen kann. Man erhält fünfzehn „Nettotage“, also mehr oder weniger einen „Bruttomonat“, der zum Unternehmensvorteil avancieren kann. Laut den Moderatoren reiche eine Nacht mit fünf oder sechs Stunden Schlaf aus, um sich dauerhaft genug auszuruhen. Wichtig dabei: Die Extrastunde muss vorher genau geplant werden. Am Tag zuvor sollte man sich darüber im Klaren sein, was genau man in der zusätzlichen Stunde schaffen möchte. Ohne einen „Massive Action Plan“ wird das ganze Vorhaben kaum funktionieren. Es gibt keine Ausreden mehr. Sich nochmal ein paar Minuten umdrehen? Strengstens verboten. Stattdessen gilt es sich jeden Tag aufs Neue zu motivieren, um die zusätzliche Zeit zu nutzen. Wichtige Emails schreiben oder die Zahlen analysieren? Die eine Stunde soll einen Marktvorteil bringen, quasi zusätzliche Zeit aus dem Nichts erwirtschaften.

Falsch!

Die Idee klingt zu schön, um wahr zu sein. Und so ist es auch. Davon abgesehen, das man schon eine übermenschliche Motivation aufbringen muss, um jeden Tag des Jahres mehr zu leisten, ist es ein leichtfertiges Spiel mit der Gesundheit. Zu wenig Schlaf schadet dem gesamten Organismus und entzieht mehr Lebenszeit als die Stunden, die wir im Bett verbringen.

Die eine Stunde weniger an Schlaf haben wir eigentlich bereits in unserem modernen Lebensrhythmus eingebaut. Menschen über den ganzen Globus schlafen mittlerweile um Einiges weniger als noch vor zehn Jahren. In einem Bericht der „New York Times“ vom Januar 2014 liest man ernüchternde Zahlen. 38 Minuten fehlen dem Durchschnittsbürger in den USA im Hinblick auf die Schlafzeit von vor zehn Jahren. Im Vergleich von einer Zeitspanne von 50 Jahren sind es sogar bereits um die zwei Stunden. Auch die Schweizer Pendlerzeitung „20 Minuten“ berichtet über Schlafentzug der Eidgenossen. Schweizer schlafen 40 Minuten weniger als noch 1983. Der Durchschnitt erreicht keine acht Stunden mit Ruhezeiten von 23 Uhr bis 6.30 Uhr. Die empfohlene „Extrastunde“ Wachsein für mehr Effektivität haben wir bereits erreicht.

Der Grund für unseren Schlafentzug sind mehr Tagesaktivitäten, aber auch Facebook und Twitter halten uns vom Schlafen ab. Vorm Zubettgehen werden noch einmal Nachrichten gecheckt und Posts kommentiert. Man entscheidet sich doch noch dazu, die wichtige Email eines Kunden zu beantworten. Und im Nu sitzt man noch einmal 30 Minuten länger vor dem blauen Licht der Bildschirme, das uns nachgewiesen schlechter schlafen lässt. Computerbildschirme, Smartphone- und Tabletscreens verleiten uns allesamt dazu länger wach zu bleiben, denn durch das blaue Licht wird dem Körper Tageslicht signalisiert, man wird nicht schläfrig, obwohl es schon finstere Nacht ist.

Zu wenig Schlaf wirkt sich auf die gesamten Körperfunktionen aus. Hat man dauerhaft zu wenig Schlaf, befindet sich auch der Körper durchgängig im Ausnahmezustand. Kleinere Folgen sind vorzeitiges Altern und Gewichtszunahme. Der Schönheitsschlaf ist kein Mythos, sondern notwendig, um dem Körper die Möglichkeit zu geben seine Zellen zu erneuern. Da der Körper die Verbrennungsfunktionen herunterfährt, läuft man schneller Gefahr zuzunehmen. Gerade Studien bei Kindern haben das besonders deutlich gemacht. Schulkinder, die zu wenig Schlaf bekommen, waren übergewichtiger als ihre Schulkameraden, die ausreichend ruhen. Das Risiko für viele Krankheiten erhöht sich: Diabetes, sogar Alzheimer.

Ein Gehirn wie ein verschmutztes Aquarium

Im sauberen Aquarium fühlen sich Fische wohler und dies wirkt auch auf den Betrachter.

Im sauberen Aquarium fühlen sich Fische wohler und dies wirkt auch auf den Betrachter.

Neue Forschungsergebnisse vom Team um Maiken Nedergaard, dänische Biologin und Schlafforscherin, haben ergeben, dass sich das Gehirn in der Schlafphase selbst reinigt und Giftstoffe, die sich über den Tag angesammelt haben, abgebaut werden. Im Interview mit der New York Times bringt sich den Vergleich eines Aquariums. Wird das Aquarium niemals gesäubert, ersticken die Fische. Ohne Schlaf hat das Gehirn kaum die Möglichkeit ordentlich „auszukehren“. Folgen sind verminderte Leistungsfähigkeit und im schlimmsten Fall eine ernsthafte Krankheit.

Zeit umzudenken. Auch wenn Politiker und Unternehmer mit Schlafentzug Leistung zeigen – Schlaf ist kein Zeichen von Faulheit, Schwäche oder Disziplinlosigkeit. Ganz im Gegenteil, mit genügend Schlaf steigert man seine Leistungsfähigkeit, fördert seine Konzentrationsstärke und mindert sein Stresslevel. Und das am besten nicht nur nachts. Genetisch wurde der Mensch für den biphasischen Schlaf geschaffen, d.h. mehrmals in der Nacht während eines Schlafzyklus in die Tiefschlafphase gleiten und nachmittags eine kurze Ruhephase abhalten. Wem das Wort Mittagsschlaf zu altmodisch ist, dem sei „Powernapping“ angeraten. Die Zeit nach dem Mittagsessen ist die perfekte Möglichkeit, um 20 Minuten auszuspannen. Es ist also weniger Schlaf, als eher ein Nickerchen. Fällt man in die Tiefschlafphase, braucht der Körper einige Stunden, um alle Systeme auf volle Leistung hochzufahren – man ist schlaftrunken. Im Idealfall nach dem Powernap eine Runde um den Block gehen. Das Sonnenlicht und die frische Luft signalisiert dem Körper, dass eine aktive Phase beginnt.

Problematisch ist der Mittagsschlaf für all diejenigen, die im Büro sitzen und die Mitarbeiter missmutig hinüber schielen, weil man die Beine hochgelegt hat. Das wird sich laut der Zukunftsforscherin Daniela Tenger vom Gottlieb Duttweiler Institut jedoch ändern. In einem Interview mit der Zeitung „20 Minuten“ verweist sie auf den Trend zum Mittagsschlaf. Die Mentalität des Schlafentzugs wird sich in naher Zukunft genauso modifizieren wie es die Essenskultur getan hat. Unser Arbeitsrhythmus hat die täglichen Mahlzeiten in eine Kultur des Take Away und Fast Food verwandelt. Das Essen muss genauso schnell, praktisch und mobil sein wie wir selbst. Mittlerweile hat die Gegenbewegung eingesetzt, Slow und Pure Food bringen uns wieder zur bewussten und gesunden Nahrungsaufnahme. Genauso wird es sich mit dem Schlaf verhalten. Er wird in einer Zeit mit zu wenig Zeit zum Luxusgut. Wer es sich leisten kann, der schläft, und zwar auch gerne ein Nickerchen in der Öffentlichkeit. Heute bereits möglich in Schlafkapseln an vielen internationalen Flughäfen oder auch in Japan: Statt einen Cappuccino trinken zu gehen, verbringt man lieber ein paar entspannte Momente im „Schlaf-Café“.

Zu wenig Schlaf wird also das Image von Fast Food besitzen. Und wer möchte schon von sich behaupten sich nur mit Fast Food zu ernähren? Wer Zeit mit Schlafen verbringt, nutzt Zeit. Ein kluges Zeitmanagement wird das Statussymbol der Zukunft sein. Wer zu viel Arbeit und zu wenig Zeit zum Schlafen hat, sollte das Outsourcen in Betracht ziehen. Und zwar nicht die Ruhephasen, sondern die zu bewältigenden Aufgaben. Gibt man die Arbeit, die einen vom Land der Träume abhält, an einen virtuellen Assistenten oder Freelancer ab, hat man direkt in seine Gesundheit investiert. Lieber ein paar Aufgaben abgeben, als übermüdet durchs Leben zu gehen. Denn wer genügend Schlaf hat ist produktiver und kreativer – mit dem virtuellen Assistenten als Geheimtipp ist dies jederzeit möglich.

Der Schüssel-Trick für kurze Naps

Echte Mittagsschlaffans waren übrigens Persönlichkeiten wie der Physiker Albert Einstein und der Maler Salvador Dalí. Diese beiden höchst kreativen Köpfe hielten regelmäßig Mittagsschlaf, um so die besten Ideen zu bekommen. Dalí, so sagt man, nahm einen Löffel, Einstein einen Schlüssel als Hilfsmittel. Sie setzten sich in einen Sessel und entspannten sich mit Löffel und Schlüssel in der Hand. Sobald sie in den Schlaf glitten, fielen Löffel und Schlüssel herunter und vom Lärm wurden beide aufgeweckt. Sogenannte ultra short naps, die nur einige Sekunden anhalten, dafür aber auch gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Zumindest diesen beiden und Ihren Werken hat es nicht geschadet. Heute gibt es sogar Apps, die einen durch den Powernap bringen, zum Beispiel „Get a Power Nap!“ oder „Sleep Cycle„. Es reicht aber auch einfach den Wecker zu stellen und direkt zu entspannen, weil man weiß, das man keine Zeit verliert, sondern sie nutzt.