Die Mechanik unseres Lebens – mit den Regeln der Physik seine Produktivität steigern
Vor über dreihundert Jahren schrieb Issac Newton das Buch „Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie“. Seitdem gelten die darin aufgestellten Gesetze als Fundament der Mechanik. Die Grundgesetze der Bewegung sind zu schade, um sie in den Bibliotheken dieser Welt verstauben zu lassen. Das dachte sich auch James Clear, Unternehmer und Autor von Büchern und Artikeln über wissenschaftliche Ideen, die das Leben verbessern können. Sein Artikel „The Physics of Productivity: Newton’s Laws of Getting Stuff Done“ krempelt die mechanischen Gesetze auf ein paar wertvolle Tipps für das (Arbeits-)Leben um. Die drei Grundgesetze der Bewegung von Isaac Newton können als Analogie verwendet werden, um Produktivität zu verbessern. Nach Clear gibt es somit drei „Newtonsche Gesetze der Produktivität“ . Demnach muss man kein Mechaniker sein, um ein paar Feinjustierungen in seinen Leben vorzunehmen. Das Ergebnis ist mehr Produktivität und weniger Anstrengung. Hier die drei Grundregeln:
Aller Anfang ist schwer
Das erste Gesetz Newtons ist das sogenannte Trägheitsgesetz. Das bedeutet, dass ein Körper in Ruhe verharrt, wenn keine externen Kräfte auf ihn einwirken. Clear dreht das Prinzip sozusagen um: Ein Körper in Bewegung bleibt in Bewegung, wenn er sich bereits in Bewegung befindet. Das Wichtigste ist also die Sache anzugehen, sich in Bewegung zu setzen. Man muss damit aufhören, Dinge immer wieder zu verschieben, hinauszuzögern oder im schlimmsten Fall so lange liegen zu lassen bis man Schaden nimmt.
Das scheint simpel, ist aber das Schwerste der Gesetze. Die wenigsten Menschen neigen dazu lästige Dinge, die anfallen, sofort zu erledigen. Stattdessen schiebt man wichtigere Aufgaben vor, findet immer wieder Entschuldigungen, warum man sich vor dieser oder jener Erledigung drücken musste. Clear empfiehlt hier die 2-Minuten-Regel vom Erfolgsautor David Allen („Getting Things Done“). Die Regel besagt: Finde einen Weg innerhalb von zwei Minuten, um mit der Aufgabe anzufangen, egal wie. Nur so wird man ein weiteres Aufschieben vermeiden können. Man muss die Arbeit dann nicht beenden, man muss noch nicht mal den Großteil machen. Einfach nur anfangen. Denn wer einmal angefangen hat, kommt ins Rollen, Ideen entstehen von allein, Arbeitsvorgänge werden offensichtlich und irgendwann möchte man weitermachen, weil man das Ziel schon klar erkennen kann.
Prinzip Nummer eins lautet also: Einmal in Bewegung, ergibt sich Bewegung in der Sache von allein. Klein anfangen hat Riesenauswirkung! Clear gibt hierzu ein klassisches Beispiel. Wir kennen es alle: Wir wollen mehr Sport machen, am besten an der frischen Luft laufen gehen, da man den ganzen Tag im Büro sitzt. Doch man findet immer wieder einen Grund es nicht zu tun. Selbst wenn man die Zeit hat, findet man nicht die Überwindung ein paar Runden im Park zu drehen. Also heißt es: klein anfangen. Nämlich die Laufschuhe anziehen und die Wasserflasche auffüllen. Hat man einmal die Schuhe an, wird man ganz von allein dann doch laufen gehen. Am besten nimmt man sich dann nur 15 Minuten vor. Ist man einmal 15 Minuten gelaufen, packt einen die Motivation. Sei es, weil es Spaß macht oder weil der Opa im Jogginganzug einen schon zweimal überholt hat. Das wird man nicht auf sich sitzen lassen wollen. Aus den geplanten 15 Minuten wird somit eine dreiviertel Stunde.
In welche Richtung geht mein Leben, in welche meine Arbeit?
Das zweite Gesetz des großen Physikers besagt, das die Bewegung sich proportional zur einwirkenden Kraft verändert. Die Grundgleichung der Mechanik wird als Formel so ausgedrückt:
F=ma (dabei ist F die Kraft, m die Masse, also der Körper und A ist die Beschleunigung.)
Korrekt ausgedrückt sollten da die Vektoren von F und A stehen. Vektoren beinhalten Größe bzw. Ausmaße einer Sache, also wie viel Kraft man einsetzt, und in welche Richtung sie geht, nämlich auf was man seinen Fokus setzt. Will man also eine Sache beschleunigen, aber auch in eine bestimmte Richtung bringen, muss man die Kraft vergrößern. Es geht im Leben nicht nur darum hart zu arbeiten, sondern auch darum Ziele zu haben, eine Richtung für seinen Lebenslauf zu bestimmen und zu verfolgen. Und zwar nicht nur die großen Lebensfragen, sondern auch kleine, alltägliche Dinge.
Eine Ausbildung oder ein Studium schließt ein Jahrgang mit den gleichen Prüfungen ab, alle Studenten haben die gleichen Kurse belegt und die gleichen Dinge gelernt, aber ihre Lebenswege, ihre Richtungen werden verschiedenster Art sein. Manche werden auf der Universität bleiben und unterrichten, andere den klassischen Beruf ausüben und wieder andere etwas ganz Neues ausprobieren. Es ist also sehr wichtig zu bedenken, dass man nicht nur hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen, sondern zu planen, worin man die Kraft investiert, welchen Fokus man legt und welche Auswirkungen die investierte Kraft in die Richtung des eigenen Lebens hat. Nicht nur unsere Arbeitsweise, unsere Kraftinvestition ist entscheidend, sondern genauso wohin wir sie lenken. Arbeitet man hart an vielen zeitraubenden Dingen, die der Richtung, in die man möchte, keine Beschleunigung geben, so verschwendet man seine Kraft.
Besonders hier kann man sich so manche Mühe ersparen, die keine großen Früchte trägt. Wer hart arbeitet, wird belohnt. Wer hart an den richtigen Dingen arbeitet und andere lästige Aufgaben outsourct, wird noch mehr belohnt. Sagen wir, ein Architekt hat eine wunderbare Idee für ein neues Gebäude im Zentrum einer Stadt. Er hat eine Deadline bis nächsten Monat, um seinen Entwurf abzugeben. Gleichzeitig endet die Deadline für die Steuererklärung und seine Abrechnungen. Er muss außerdem Recherchen anstellen, welche historische Bedeutung der Platz, an dem das neue Gebäude stehen soll, hat. Außerdem dürfen die alltäglichen Berichte und Präsentationen nicht liegen bleiben. Wenn der Architekt nun hart arbeitet, um alles allein zu bewerkstelligen, wird am Ende der Entwurf nur halb so gut werden, weil seine Kraft in viele Richtungen verschwendet wurde. Er wird aber das bestmögliche Ergebnis abliefern, wenn er alle Arbeit, die auch jemand anderes erledigen kann, delegiert und somit die Richtung seiner Kraft in die richtige Bahn gelenkt hat.
Die Balance zwischen Aktion und Reaktion
Das dritte Gesetz der Bewegung besagt, dass Kräfte immer paarweise auftreten. Wirkt also ein Körper auf einen anderen Körper Kraft aus, so wird der zweite Körper mit der gleichen Kraft auf den ersten wirken. Das nennt man Wechselwirkungsprinzip. Vereinfacht heißt das: Zu jeder Aktion gibt es eine entsprechende Reaktion. Clear vergleicht diese Wechselwirkung mit der Balance in unserem Leben. Wir haben entsprechend den produktiven Phasen unproduktive Kräfte. Unsere Effizienz ist das Ergebnis der beiden gegensätzlichen Kräfte von Aktion und Reaktion, die auf uns wirken. Fokussierung, positives Denken oder Motivation sind produktive Kräfte, die uns weiterbringen. Stress, Überforderung und Schlafmangel sind negative Kräfte, die genauso viel Auswirkung auf unser Leben haben wie unsere positiven Eigenschaften.
Clear hat zwei Vorschläge, um die negativen Kräfte in Schach zu halten: Sich „durchpowern“ ist das, was die meisten Menschen wählen. Das heißt zusätzliche „positive“ Kraft aufwenden. Sich noch mehr motivieren, noch mehr Kaffee trinken oder sogar Aufputschmittel nehmen. Diese Option ist zeitlich begrenzt. Das Burnout ist dann nämlich die folgende Langzeitreaktion. Diese Methode ist nicht mehr als ein Etappensieg. Die effektivere und gesündere Methode, jedenfalls über lange Zeit gesehen, ist, die negativen Kräfte zu eliminieren. Dinge vereinfachen, auf Aufgaben verzichten, Nein sagen ohne Angst, Verantwortung abgeben. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wer auf (virtuelle) Assistenten zurückgreifen kann, die mit ihm die negativen Kräften bewältigen, wird sehr viel sorgenfreier durch das Leben gehen. Wer mit der Holzhammermethode durch das Leben geht, der bekommt nach den Regeln der Mechanik diesen Hammer irgendwann selbst auf den Kopf.